Gute Kommunikation im ERP-Projekt

M. Marek, Marco Niecke

Die richtige Fragetechnik für eine erfolgreiche Analyse in Microsoft Dynamics Projekten

 

Projekte zur Einführung eines neuen ERP-Systems sind immer eine große Herausforderung – organisatorisch, technisch, aber auch kommunikativer Art. Für das Gelingen eines Projekts spielt die Kommunikation zwischen den Beratern und den Key-Usern des Kunden eine nicht zu unterschätzende Rolle. So gilt es von Anfang an sicher zu stellen, dass alle Informationen des Senders (Kunden) vom Empfänger (Berater) vollständig verstanden, richtig interpretiert und lückenlos eingeholt werden. Denn meist weiß der Kunde mehr, als er sagt oder zu wissen glaubt. Doch das vollständige Bild zu bekommen ist nicht immer ganz einfach und erfordert unter anderem die Anwendung bestimmter Fragetechniken.

 

In diesem Blogbeitrag erzählt unsere Mitarbeiterin M. Marek von Inway Systems, Expertin für das ERP-System Microsoft Dynamics 365 Finance & Microsoft Dynamics 365 Supply Chain Management, welche Herausforderungen es in der Kommunikation gibt und welche Techniken sie anwendet, um frühzeitig – bereits in der Analysephase – möglichst alle, für das Projekt relevanten Informationen zu erhalten.

Ziel der Kommunikation im ERP-Projekt: Alle wichtigen Informationen sollten gleich zu Projektbeginn lückenlos vorliegen

Uns bei Inway ist es besonders wichtig, unsere Kunden ab Projektbeginn tatkräftig zu unterstützen. Denn bereits in der Analysephase wird der Grundstein für den erfolgreichen Go-Live mit Microsoft Dynamics gelegt.

Eine der häufigsten Ursachen für Verzögerungen im Zeitplan sind unvorhergesehene neue Anforderungen in den späteren Projektphasen. Es ist deshalb wichtig, dass bereits vor dem Beginn der Realisierungsphase alle relevanten Informationen bekannt sind. Nur so können die zukünftigen Prozessabläufe richtig geplant und Konfigurationen sowie Entwicklungen gleich im ersten Anlauf zielgerecht umgesetzt werden.

Doch wie erhalten wir als Berater diese Informationen und das auch noch möglichst lückenlos und unter Beachtung sämtlicher Eventualitäten?

Nicht immer interpretiert der Empfänger (Berater) die gesprochenen Worte des Senders (Kunden) auch so, wie dieser sie ursprünglich gemeint hat. Um unsere Key-User optimal zu beraten, müssen wir ihnen nicht nur zuhören, sondern sie auch verstehen. Wir müssen hinter die äußerliche Fassade blicken und die Bedeutung bestimmter Anforderungen an das neue ERP-System durchdringen. Nur so können wir unsere Kunden erfolgreich dabei unterstützen, dass das Erreichen der besprochenen Ziele tatsächlich das ist, was der Kunde auch benötigt.

Warum bei Gesprächen zwischen Kunde und Berater Informationen verloren gehen

Betrachten wir ganz kurz die Theorie. Mit dem Modell der Metasprache beschrieben Richard Bandler und John Grinder den Informationsverlust in der menschlichen Sprache durch Tilgung, Verallgemeinerung und Verzerrung.

  • Dabei beschreibt die Tilgung eine Konzentration auf einen bestimmten Fokus, bei der der Sender unbewusst bestimmte Facetten in seinen Ausführungen ausblendet und selektiert.
  • Mit der Verallgemeinerung wird wiederum ein Thema sehr vereinfacht dargestellt und in eine bestimmte Schublade eingeordnet. Der Sender impliziert also für sich selbst geltende Regeln und Glaubenssätze, die der Empfänger nicht immer zu interpretieren weiß.
  • Geht es hingegen um sehr emotionale Themen so kann es vorkommen, dass der Sender in seiner Nachricht über- oder untertreibt oder möglicherweise auch Fantasien einflechtet. In diesen Fällen wird von einer Verzerrung gesprochen.

Zurück in die Praxis. Das, was uns ein Key-User im ersten Schritt von den Anforderungen an einen Prozess erzählt, sind also in den seltensten Fällen die Informationen, die wir als Berater für die korrekte Systemeinrichtung benötigen. Oft werden mögliche Szenarien nicht bedacht. Die Kunden fokussieren sich entweder auf ihre alltäglichen Aufgaben und übersehen dabei zum Beispiel Sonderaufträge, Havariefälle oder Besonderheiten wie den Jahreswechsel. Oder sie haben nur noch ihre aktuellen Herausforderungen im Blick und vergessen dabei all die Anforderungen, die mit dem Altsystem bereits umgesetzt wurden. Dies gilt es für uns Berater in der Kommunikation mit dem Kunden im Hinterkopf zu behalten.

Mit den richtigen Fragetechniken alle Informationen und ein lückenloses Bild bekommen

Nicht selten implizieren Key-User in ihren Ausführungen zusätzliches Wissen des Beraters, ohne zuvor auch sicherzustellen, dass dieses tatsächlich vorhanden ist. Denn mit Verallgemeinerungen wie etwa „Jeder Kunde muss den Lieferschein automatisch erhalten“ kann noch keine eindeutige Anforderung definiert und kein Prozess eingerichtet werden. Es fehlen noch wichtige Informationen wie z. B.:

  • Was soll auf dem Lieferschein aufgedruckt stehen?
  • Welche bestimmten Formatierungen oder rechtlichen Vorgaben müssen eingehalten werden?
  • Auf welchem Weg soll der Beleg den Kunden automatisch erreichen?
  • Wäre hierfür noch zusätzliche Technik notwendig?
  • Wann soll der Lieferschein übermittelt werden?

Offene W-Fragen

Mit den offenen W-Fragen gelangen wir als Berater am besten an die Informationen, die uns der Sender zunächst vorenthalten hat. Eine gute Möglichkeit, um Verallgemeinerungen aufzulösen und an tiefere Informationsstrukturen zu gelangen, ist auch die Formulierung „wie genau“.

Ein Beispiel: „Ok, Sie sagen also, die Lieferscheine sollen zukünftig automatisch an Ihre Kunden übermittelt werden. Wie genau soll das geschehen?“

 

Was-Wäre-Wenn-Fragen

An viele relevante Informationen können wir beispielsweise auch mit der Was-Wäre-Wenn-Frage gelangen.

Ein Beispiel: „Sie haben mir eben erzählt, dass Ihre Mitarbeiter zukünftig die Möglichkeit haben müssen, ihre Arbeitszeiten selbstständig zu erfassen. Was wäre, wenn ein Mitarbeiter einmal überraschend ausfällt und seine Abwesenheitsstunden dann nicht selbstständig erfassen kann? Wie gelangen diese Stunden dann ins System und wer übernimmt das?“

 

Gezielte W-Fragen

Sollen neue Informationen in Erfahrung gebracht werden, so können wir den Blickwinkel unseres Gegenübers mit gezielten W-Fragen noch weiter in die Tiefe, weiter in die Breite oder zirkulierend um eine bestimmte Fragestellung lenken.

Geschlossene Fragen

Geschlossene Fragen verwenden wir hingegen, um ein richtiges Verständnis des Gehörten sicherzustellen. Der richtige Mix aus offenen und geschlossenen Fragen spielt beim Gespräch mit dem Kunden folglich eine entscheidende Rolle.

Keine führenden Fragen stellen, da diese den Spielraum verengen

Vor allem in der Analysephase sind führende Fragen möglichst zu vermeiden. Der Grund: Meist haben wir bereits nach den ersten Sätzen im Gespräch schon vage Ideen, wie wir die Anforderungen des Kunden im System abbilden könnten. Dadurch fokussieren aber auch wir Berater unseren Blick automatisch auf einen bestimmten Lösungsweg und übersehen womöglich weitere Abzweigungen des Weges, die eventuell eine effizientere oder noch lösungsgerechtere Umsetzung ermöglichen würde. Das ist ganz natürlich. Falls eine bestimmte Richtungsvorgabe nicht gewollt ist, sollten wir die W-Fragen so offen wie möglich gestalten und dem Key-User keine von uns vorgeformten Worte in den Mund legen.

 

 

Ein Beispiel: Erzählt unser Gegenüber von der Notwendigkeit, zukünftig Fehleingaben bei der Auftragserfassung zu vermeiden, so haben wir möglicherweise sofort die Idee zu einem Genehmigungsworkflow. Würden wir nun eine führende Frage stellen, wie „Wer könnte denn am besten die richtige Eingabe aller Daten überprüfen?“, würden wir den Gesprächspartner bereits auf diesen Pfad mitnehmen und dadurch sehr entscheidende Informationen links und rechts davon einfach liegenlassen. Vielleicht hätte in diesem Beispiel auch die Definition einiger Felder als Pflichtfelder genügt oder es wäre bereits ausreichend, einige übergeordnete Stammdaten an den Debitoren und Artikeln zu pflegen, die zukünftig dann automatisch bei der Auftragsanlage übernommen werden.

Um die wirklich optimale Umsetzungslösung für unseren Kunden zu evaluieren, müssen wir also zuerst immer vollkommen filterfrei alle Hinweise aufnehmen, bevor wir diese in ein Gesamtbild einordnen.

Bessere Rückfragen nach weiteren Informationen wären in diesem Fall also gewesen:

  • „Welche Eingaben werden üblicherweise falsch erfasst?“
  • Oder: „Was könnte Ihrer Meinung nach zukünftig dabei helfen, falsche Eingaben zu vermeiden?“

Emotionen und Gefühle in der Kommunikation erkennen und die Information dahinter finden

Manchmal streift man als Berater auch Themenbereiche, die der Key-User mit starken Emotionen und Gefühlen verbindet. Wir erkennen dies zum einen an plötzlichen Auffälligkeiten in der Gestik und Mimik und zum anderen auch an sprachlichen Hinweisen, die eine Über- oder Untertreibung kennzeichnen. Typische Hinweiswörter hier sind beispielsweise nie und immer.

 

Lamentiert ein Kunde „Die Kollegen aus dem Einkauf schaffen es nie die Lieferantendaten richtig zu erfassen“, dann könnte man dieses festgefahrene Gedankenmuster etwa aufbrechen mit einer Formulierung wie: „Ok, ich verstehe, dass es Ihren Kollegen aus dem Einkauf teilweise schwerfällt, die Lieferantendatensätze richtig zu erfassen. In welchen Fällen wurden denn die Daten korrekt angelegt? Was wäre zukünftig notwendig, um sie bei der fehlerfreien Anlage zu unterstützen?“

Kontrollmechanismen, ob alles richtig verstanden wurde

Mit einer gezielten Fragetechnik können wir von der Oberflächenstruktur der sprachlichen Ausführungen unserer Kunden wieder gemeinsam mit ihnen den Rückweg zur Tiefenstruktur antreten und dabei all die so wertvollen aber zuvor abhandengekommenen Informationen schrittweise wieder einsammeln. Ob wir alle erarbeiteten Informationen auch richtig verstanden haben, müssen wir Berater im Rahmen des sogenannten Back Track Frame immer noch einmal verifizieren. Am einfachsten ist dies möglich, indem wir die relevanten Kernaussagen noch einmal paraphrasieren, also die Ausführungen des Key-Users noch einmal mit eigenen Worten wiedergeben. Fühlt er sich dann noch nicht richtig abgeholt oder falsch verstanden, so wird er uns noch einmal genauer erklären, was er gemeint hatte.

Verknüpfen wir beispielsweise eine Paraphrasierung mit einer Ja-Nein-Frage, so gibt uns die Antwort des Key-Users eine größtmögliche Sicherheit bezüglich der fehlerfreien Erfassung.

Dokumentation ist fester Bestandteil einer guten Kommunikation

Das Sammeln von möglichst vielen Informationen allein genügt jedoch nicht. Von entscheidender Bedeutung ist auch deren lückenlose Dokumentation.

Ein Review zu jedem Analyseworkshop hilft dabei, dass auch nach einigen Wochen und Monaten kein wertvolles Wissen verloren geht und es gibt den Teilnehmern auch die Möglichkeit, weitere Gedanken im Nachgang zu ergänzen.

Fazit: Gute Kommunikation und die richtige Fragetechnik im ERP-Projekt spart unnötige Umwege

Wird in der Kommunikation zwischen Kunden und Berater, neben den hier vorgestellten Fragetechniken auch die Dokumentation berücksichtigt, haben beide Seiten für die anstehende Zusammenarbeit eine solide Grundlage geschaffen. Zwar kann es im Rahmen des Projektes in der Kommunikation immer mal wieder zu Missverständnissen kommen, es handelt sich dann aber in der Regel nur um kleinere Details. Unvorhergesehene, neue Anforderungen jedenfalls, die bisher geleistetes oder gar das ganze Projekt in Frage stellen und Dinge unnötig verkomplizieren, sind auf diese Weise so gut wie ausgeschlossen.

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